Steueränderungen

Die Grenzen des Erfindungsreichtums – das Kommunalabgabengesetz kennt hier offensichtlich kaum welche

30. September 2010

Das Kommunalabgabengesetz fristet in der Regel eher ein unbeachtetes Schattendasein, obwohl es ohne Zweifel eines der wichtigsten Gesetze ist, denn vor allem die unternehmerisch tätigen Bürger sind regelmäßig von ihm „betroffen“. Erst kürzlich geriet es jedoch wieder einmal in die Schlagzeilen, denn der diesbezügliche Gesetzestext räumt den Städten und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland eine recht erstaunliche Gestaltungsfreiheit ein – vor allem bei der „Erfindung“ neuer Steuern. Steuern sind hierzulande nämlich keineswegs nur Sache des Bundes oder der Länder. Die neu gestalteten Steuern der Kommunen dürfen sich allerdings nicht mit bereits bestehenden Steuern von Bund und Ländern doppeln oder überschneiden, da in diesem Fall in der Regel die Steuergesetzgebungshoheiten der übergeordneten Organe gelten.

Es gibt allerdings nicht, wie gelegentlich fälschlich angenommen, ein bundesweit gültiges Kommunalabgabengesetz, sondern jedes Bundesland hat hier eine eigene Variante dieses Gesetzestextes. Neben den Bundesgesetzen, in denen Regelungen zur Grundsteuer (Grundsteuergesetz), der Gewerbesteuer (Gewerbesteuergesetz) und den zu leistenden Abgaben (Abgabenordnung) getroffen werden, ist das Kommunalabgabengesetz (oder kurz: KAG) die entscheidende Rechtsgrundlage für die Einnahmegestaltung der Städte und auch der Gemeinden. Das KAG regelt beispielsweise das Steuererfindungsrecht, die Rechtmäßigkeit und die zulässige Höhe von Nutzungs- und Verwaltungsgebühren sowie natürlich auch die Umsetzungsvorgaben für die Abgabesatzungen der einzelnen Kommunen. So nüchtern, wie dieser Gesetzestext an sich daherkommt, ist seine praktische Auswirkung in der Realität jedoch eher selten. Denn ab und an überschreitet die Fantasie der Kämmerer und Finanzbeamten der Kommunen sowohl die Grenzen des steuerrechtlich sinnvollen als auch gelegentlich die Grenzen des guten Geschmacks.

Besonders drastische Einzelfallbeispiele für über das Ziel hinausgeschossene neue kommunale Steuerregelungen gibt es zweifelsohne in jedem Bundesland, besonders häufig fielen zuletzt aber einige Kommunen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen auf, allen voran die Großstadt Köln: Während eine umgangssprachlich als „Sexsteuer“ bezeichnete Sonderabgabe für Prostituierte und Bordelle tatsächlich eingeführt und auch konsequent eingetrieben wurde, sorgte der an diese Regelung anknüpfende Vorschlag einer „Bettensteuer“ für Hotel- und Ferienwohnungsübernachtungen für geharnischte Proteste, nicht nur bei der unter Schwarz-Gelb wieder erstarkten Hotellobby. Es wurden Befürchtungen geäußert, diese Steuer auf Übernachtungen diene nur der Füllung leerer Stadtkassen und würde dem Tourismus deutlichen Schaden zufügen. Wie jüngst zu hören war, ist die SPD-geführte Minderheitsregierung in der rheinischen Landeshauptstadt Düsseldorf aber durchaus gewillt, den Kommunen in puncto Steuern und Abgaben ein gerüttelt Maß an Gestaltungsfreiheit zu gewähren. Natürlich werden auch in Zukunft alle von den Kommunen vorgeschlagenen neuen Steuern mit den bestehenden Landesgesetzen zur Steuererhebung sorgfältig abgeglichen, „im Zweifel“ soll aber nun wohl eher zugunsten der Kommunen und der Verbesserung ihrer Einnahmesituation entschieden werden. Noch wesentlich schwerer nachzuvollziehen sind allerdings die Gedankengänge der Stadtkämmerer der Ruhrmetropole Essen, denn diese planen für das kommende Jahr tatsächlich eine so genannte „Bräunungssteuer“. Als diese Agenturmeldung vor wenigen Tagen über die Ticker der Nachrichtenagenturen lief, überprüfte sicher so mancher Journalist und Redakteur das Datum dieser Meldung noch einmal genau, denn schließlich wollte niemand einem zu spät gekommenen Aprilscherz aufsitzen. So viel Vorsicht war allerdings gar nicht nötig, denn der Stadtrat von Essen meint es mit der Einführung dieser Sondersteuer für Betreiber von Solarien und Sonnenstudios absolut ernst und ließ sich auch nicht durch die sofort aufflammenden Proteste der entsprechenden Gewerbetreibenden im Essener Stadtgebiet von seinen Planungen für das Haushaltsjahr 2011 abbringen. Der Grund für so viel steuerlichen Erfindungsreichtum ist natürlich schnell gefunden, denn trotz hoher und auch steigender Steuereinnahmen häuft die Großstadt Essen seit vielen Jahren einen immer größer werdenden Schuldenberg an und der Bund der Steuerzahler ist bei Weitem nicht die einzige Institution, die an Stelle der Einführung von immer neuen Steuern und Abgaben endlich zu mehr Sparsamkeit mahnt. Immerhin: Im Falle der höchst umstrittenen „Bräunungssteuer“ signalisierte das Düsseldorfer Landesfinanzministerium mittlerweile auch öffentlich, dass hier unter Umständen der Bogen der steuerlichen Gestaltungsfreiheit wohl überspannt worden ist.

Die Kommunen freuen sich über Mehreinnahmen – Steuerberater freuen sich über Neukunden

Der Großteil all dieser neuen Kommunalsteuern betrifft in erster Linie erst einmal „nur“ Unternehmen und Unternehmer. Diese werden allerdings nach der Einführung der Steuern ihre nun höheren Kosten sicherlich an ihre Kunden weitergeben. Wenn man allerdings nur die angepeilten Zielgruppen betrachtet, so kann man den Kommunen eigentlich sogar fast schon ein Kompliment machen, denn sie haben zielgerichtet stark ortsgebundene Branchen herausgepickt. Die Betreiber von Solarien und Hotels sind schließlich nicht selten an lange Pacht- oder Mietverträge gebunden – auch benötigen sie für wirklich gute Geschäfte natürlich eine attraktive Stadtlage – und so können sie meist nicht einfach ihren Betrieb verlagern, um in einer anderen Kommune von insgesamt niedrigeren Steuern und der Abwesenheit von speziellen Sonderabgaben zu profitieren. Für die betroffenen Unternehmer ist die neue steuerliche Situation also insgesamt unbefriedigend und es bleibt abzuwarten, wie sich hier weitere wirtschaftliche Entwicklung gestaltet. Fest steht nur: Die ortsansässigen Steuerberater werden vor der Einführung der neuen Steuern in 2011 sicher des Öfteren Besuch von ratsuchenden Unternehmern bekommen, die auf der Suche nach legalen Steuertipps und Steuertricks sind, mit deren Hilfe sie die neuen Abgaben umgehen oder zumindest die Höhe der Steuerlast etwas dämpfen können.

 

2 Antworten auf Die Grenzen des Erfindungsreichtums – das Kommunalabgabengesetz kennt hier offensichtlich kaum welche

Cusun sagt:
2. Mai 2018 um 10:25

Die Bürger zahlen dreimal Steuern. Einmal an den Bund und einmal an die Kommunen s. z.B. KAG und nun auch in Zukunft hohe Grundsteuerbeiträge, obwohl schon eine Grunderwerbssteuer gezahlt wird bei Immobilien.
Wo geht das Geld hin, da es nicht zweckgebunden ausgegeben wird.
Ich glaube das nennt man Zweckentfremdung und somit Missbrauch der finanziellen Mittel. s.a. Bund der Steuerzahler.

 
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