Die Diskussion um die Splittingtabelle: Abschaffung oder Ausbau zum Familiensplitting?
Das Ehegattensplitting bringt einen Steuervorteil bei zusammen veranlagten Ehegatten mit unterschiedlich hohen Einkünften. Je größer der Abstand zwischen den Einkommen der Ehepartner ist, desto höher fallen die Einsparungen durch das Ehegattensplitting aus. Von den insgesamt 200 Milliarden Euro umfassenden ehe- und familienpolitischen Maßnahmen entfallen 20 Milliarden Euro auf das Ehegattensplitting.
Gesellschaftlicher Wandel : Auslöser der Debatte um die Splittingtabelle
Der gesellschaftliche Wandel seit der Einführung des Splittingverfahrens im Jahr 1958 führte zu Kritik am Ehegattensplitting. Die in der öffentlichen Diskussion vertretenen Positionen reichen von einer vollständigen Abschaffung des Splittingrechts bis zu einem Ausbau des Ehegatten- zu einem Familiensplitting.
Die familienpolitische Debatte schließt neben der Splittingtabelle auch andere staatliche Instrumente wie das Kindergeld und die Förderung der Kinderbetreuung sowie Kosten-Nutzen-Erwägungen und allgemeine Gerechtigkeitsfragen ein. Selbst eine aktuelle Studie der Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis, dass etliche der bisher geltenden familienpolitischen Maßnahmen nicht effizient seien. Nach Umfragen plädieren allerdings über 80 Prozent aller Eltern für eine Beibehaltung des Ehegattensplittings.
Widerspruch zwischen Ehegattensplitting und Familienpolitik?
Kritiker bemängeln, dass die Splittingtabelle auf der überkommenen Vorstellung der nicht berufstätigen Hausfrau beruhe und damit dem von allen Parteien angestrebten Ziel einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf entgegenstehe. Doppelt erwerbstätige Ehepartner würden hingegen benachteiligt. Angesichts der durch die Splittingtabelle verursachten hohen Steuerausfälle bei gleichzeitig fragwürdiger familienpolitischer Wirksamkeit sei eine Investition in andere familienpolitische Projekte (wie dem Ausbau einer hochwertigen Kinderbetreuung) sinnvoller.
CDU/CDU: Ausbau des Ehegattensplittings zum Familiensplitting
Das Wahlprogramm 2013 von CDU/CSU sieht eine Erhaltung des Ehegattensplittings und eine Ergänzung um ein Familiensplitting vor. Dazu soll der Kinderfreibetrag von bisher 7008 Euro stufenweise auf den Erwachsenenfreitrag (2013: 8130 Euro, 2014: 8534 Euro) erhöht werden. Damit würde die Gesamtsumme der Freibeträge für eine vierköpfige Familie von 30.276 auf 33.416 Euro steigen. Zudem möchte die Union das Kindergeld um jeweils 35 Euro erhöhen – für die ersten beiden Kinder auf 219, für das dritte Kind auf 225 und für weitere Kinder auf 250 Euro.
SPD und Grüne: Abschaffung oder Abschmelzung des Splittingverfahrens
Dagegen tendiert die SPD zu einer vollständigen Abschaffung des Ehegattensplittings – zumindest für künftig geschlossene Ehen. Jeder Steuerpflichtige soll entsprechend seinem individuellen Einkommen besteuert werden. Die SPD strebt stattdessen für Familien mit einem Jahresbruttoeinkommen bis zu 36.000 Euro eine Erhöhung des Kindergeldes auf 324 Euro an. Familien, deren Einkommen über der Grenze liegen, würden die bisherigen, nach Kinderanzahl gestuften Beträge erhalten. Hartz-IV-Empfänger würden dagegen nicht profitieren, da bei ihnen das Kindergeld wie bisher angerechnet würde. Die Grünen möchten das Splittingverfahren abschmelzen, indem sie bis auf einen Grundfreibetrag von 8000 Euro eine Individualbesteuerung einführen. Unklar ist die Positionierung der Grünen hinsichtlich der Besteuerung von Ehepaaren, die bereits lange verheiratet sind. Möglicherweise werden die Grünen eine betragsmäßige Deckelung des Ehegattensplittings vorschlagen.
Wegfall des Ehegattensplittings: Hohe Belastungen für mittlere Einkommen?
Der Steuerzahlerbund warnt bei Streichung des Ehegattensplittings vor erheblichen Zusatzbelastungen gerade mittlerer Einkommensbezieher, wenn diese sich nicht an das Lebensmodell der doppelverdienenden Ehe anpassten. Einem Ehepaar mit einem gemeinsamen Verdienst von 50.000 Euro drohten bei Wegfall des Splittingverfahrens zusätzliche Steuerbelastungen zwischen 8662 und 13.553 Euro.
Kritik am Splitting von DIW und Wohlfahrtsverbänden
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kritisiert am Unionsmodell, dass Besserverdienende überproportional profitierten und Hartz-IV-Empfänger leer ausgingen. Geringverdiener erhalten nach den DIW-Berechnungen einen Vorteil von nur 300 Euro jährlich, während die Bezieher durchschnittlicher und hoher Einkommen mit bis zu 866 Euro profitieren würden. Zudem würden Frauen nach der Geburt von Kindern davon abgehalten, in eine Berufstätigkeit zurückzukehren. Die Gesamtkosten des zusätzlichen Familiensplittings beliefen sich laut DIW auf 7 Milliarden Euro jährlich. Dies entspräche der Hälfte der bisherigen staatlichen Fördermittel für Kindertagesstätten. Auch der Deutsche Kinderschutzbund hält das Familiensplitting für zu teuer. Insbesondere die Benachteiligung von Familien, die Hartz IV beziehen, führe zu einer Vergrößerung der sozialen Ungerechtigkeit. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband fordert eine solidarische Umverteilung anstelle einer massiven Entlastung von Besserverdienenden.