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Mehrwertsteuer und ermäßigte Mehrwertsteuersätze – die Auseinandersetzungen und Widersrpürchlichkeiten halten an!

12. Oktober 2010

Mehrwertsteuer – die Auseinandersetzungen um die ermäßigten Sätze halten an

Die schwarz-gelbe Koalition und die Mehrwertsteuer – Zu diesem wichtigen Thema fällt auch aufmerksamen Steuerbürgern wohl primär nur die unselige Debatte um die steuerliche Entlastung für Hotels und Hotelketten ein. Wer sich jedoch einmal die Zeit nimmt und einen Blick in den Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2009 wirft, findet dort eine Vereinbarung zur Einsetzung einer Reformkommission.

Diese Kommission wurde allerdings bis heute noch nicht eingesetzt-  lediglich die erwähnte Einzelmaßnahme wurde – vor allem auf die starke Initiative der FDP hin – auch tatsächlich in der Praxis umgesetzt.

Der Bundesrechnungshof hat diesbezüglich auch für dieses Jahr wieder eine grundlegende Reform der Mehrwertsteuerregelungen angemahnt; leider verfügt diese angesehene Institution bei diesem Thema jedoch nicht über geeignete Sanktionsinstrumente, um die politischen Kräfte auch zu schnellerem Handeln zu bewegen. Dabei verzichtet der notorische klamme deutsche Staat durch diese Ausnahmeregelungen auf rund 20 Milliarden Steuereinnahmen. Die aktuell gültigen Regelungen im Bereich der regulären und auch der ermäßigten Mehrwertsteuersätze geben nach übereinstimmender Meinung von Politikern und auch vieler Marktexperten darüber hinaus ein sehr willkürliches Bild in der Öffentlichkeit ab. Der ursprünglichen – und in ihrer Eigenschaft sehr sinnvollen – Ausnahmeregelung von sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Lebensmittel aus dem Jahre 1968 wurden über die Jahre nämlich immer mehr Ausnahmetatbestände hinzugefügt:

Widersprüchlicher und ungerechter geht es kaum – Ermäßigte Mehrwertsteuersätze

Bereits bei den ursprünglich so sinnvoll gedachten Nahrungsmitteln beginnt allerdings schon das Steuer-Dilemma, denn aktuell werden bei weitem nicht nur Grundnahrungsmittel steuerlich gefördert. Im Zuge der angestrebten ökologischen Landwirtschaftsentwicklung und der Gesundheit der Bürger macht es zum Beispiel nur wenig Sinn auch offensichtlich sehr ungesunde Nahrungsmittel mit einem vergünstigten Umsatzsteuersatz de facto zu fördern.

Auch Feinschmecker- und Luxusprodukte wie Kaviar, Trüffel oder Champagner kommen erstaunlicherweise  in den Genuss von nur sieben Prozent Mehrwertsteuer. Auch alle Getränke außer Leitungswasser – egal ob gesunder nachhaltiger Fruchtsaft oder Billig-Wodka aus Osteuropa – werden in punkto Umsatzsteuer identisch behandelt. Für beide werden aktuell die vollen 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Die widersprüchliche bis sinnfreie Sachlage in der Gastronomie und Hotellerie (19% auf Essen im Haus, 7% auf mitgenommenes Essen, 7% auf Übernachtungen) wurde aus gegebenem Anlass ja schon mehr als ausführlich diskutiert. Im Bereich der Bücher und ihrer Repräsentationsformen wird es sogar rechtlich sehr brisant:

Trotz des im deutschen Grundgesetz verankerten Zensurverbotes fällt für pornographische Schriften der volle Mehrwertsteuersatz an, während für alle anderen Bücher – ganz gleich von welcher Qualität – nur sieben Prozent Umsatzsteuer erhoben werden. Auch die Benachteiligung von E-Books (19%) gegenüber ihren herkömmlich gedruckten Verwandten ist sicher nur sehr schwer logisch zu begründen. Diese drastischen Beispiele sollten aber nicht als grundlegende Kritik am System der ermäßigten Mehrwertsteuer aufgefasst werden, es geht lediglich um Transparenz und Gerechtigkeit. In allen Mitgliedsländern gibt es schließlich vergleichbare Regelungen und auf lange Sicht wird sicherlich ohnehin eine europaweite Harmonisierung der Umsatzsteuersätze angestrebt.

Interessante und konsensfähige Ideen für die Mehrwertsteuer-Reform von unerwarteter Seite

Für Bewegung in der scheinbar etwas festgefahrenen deutschen Umsatzsteuer-Diskussion dürften unter Umständen die jüngsten – überraschend konstruktiven – Mehrwertsteuer-Vorschläge der Linkspartei-Vorsitzenden sorgen.

Diese Partei tut sich ja ansonsten eher damit hervor, dass sie nur wenige originäre eigene Politikkonzepte präsentiert sondern anderen Parteien lautstark Klientelpolitik vorwirft. Böswillig gesagt macht natürlich auch die Partei „Die Linke“ diesmal nichts anderes als Klientelpolitik – oder besser gesagt sie würde sie gerne machen, denn aus der Opposition heraus ist ihr Einfluss natürlich nur begrenzt: Ihre Klientelpolitik spricht einen guten Teil den „Normalbürgern“ an, welche nicht den Hoteliers und den großen Hotelketten zu Gute kommt. Die Führung der Linken schlägt so beispielsweise vor Medikamente, Waren für Kinder, Dienstleistungen von Handwerkern und Tickets im Personennahverkehr zukünftig nur noch mit ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belegen. Zumindest der Vorstoß in punkto Handwerker-Dienstleistungen dürfte auch weit außerhalb des klassischen Wählerklientels der Linkspartei auf interessierte Ohren stoßen. Schließlich ist es noch gar nicht so lange her, dass haushaltsnahe Beschäftigungen und handwerkliche Dienstleistungen in Haushaltsnähe einkommenssteuerlich begünstigt wurden.

Aktuell scheint die CDU/CSU-FDP-Regierung ihre Ressourcen aber auf die beschlossenen Sparpakete zu konzentrieren, aber es bleibt ganz sicher spannend, ob die angedachte große Mehrwertsteuerreform nicht doch noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt wird.

 

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